"Die Wahrheit über Social Media" – Ein Kommentar

Von Andreas Peters am 19. Januar 2012

„Wird Social Media klassische Werbung in den nächsten Jahren ablösen?“. Die Frage, die die Marketing-Abteilungen der meisten großen Unternehmen umtreibt, ist vor allem eines: falsch gestellt - und das aus mehreren Gründen.

 von: Andreas Peters

Einer der Wichtigsten: Social Media wird als etwas Fassbares dargestellt, ein Medium, das ein anderes Medium ersetzen könnte. So wie es das Fernsehen stellenweise mit dem Radio getan hat. Das Verständnis dafür, dass es sich bei Social Media eben nicht um ein Medium handelt und schon gar nicht um eines, das nach klassischen Sender-Empfänger-Prinzipien funktioniert,  ist noch nicht allzu weit verbreitet. Und das ist fatal.

Hieraus folgt die Idee, man könne Marketingmaßnahmen und damit verbundene Budgets genauso planen und einsetzen wie das bisher in den klassischen Medien der Fall war. Damit verbunden werden dann Kalkulationen aufgestellt, die versuchen, einen genauen Zeitpunkt für die vermeintliche Ablösung klassischer Medien durch Social Media im Bereich der Markenkommunikation festzulegen.

Bedenkt man aber nun die spezielle Rolle von Social Media und ihre häufig ungeahnte Komplexität, kann die Antwort auf Fragen wie „Wird Social Media klassische Werbung in den nächsten Jahren ablösen?“ ehrlicherweise nur „Nein“ lauten. Wer etwas anderes behauptet, flunkert.

 

Eine Prognose

Klassische Werbung wird nicht abgelöst werden, in dem Sinne, dass Kommunikationskonzepte und -ziele 1:1 übernommen werden. Social Media bedeutet nicht Werbung, wie wir sie bisher kannten, sondern umfasst vielmehr eine involvierende Kommunikation mit dem User, die beiden Seiten einen Mehrwert bietet und Kunden emotional an Marken bindet. Werbung hingegen, vor allem TV-Werbung, wie wir sie heute noch kennen, ist immer gleichbedeutend mit dem Eindringen in die Privatsphäre des Angesprochenen und wird oft und zurecht als störend empfunden.

Metaphorisch könnte man es wie folgt ausdrücken: die klassische Werbung ist ein ungebetener Gast, der in das Wohnzimmer eines Menschen eindringt - während dieser sich gerade in Ruhe einen Film ansieht - um ihn möglichst laut davon zu überzeugen, ein bestimmtes Produkt zu kaufen. Social Media und alles, was damit verbunden ist, kann mehr als ein Gastgeber verstanden werden, der seinen Gast unterhalten will, ihn aussuchen lässt, welcher Film geschaut wird, ihm den gemütlichsten Platz auf der Couch anbietet und ihm etwas leckeres zu essen und zu trinken serviert. Man freundet sich an, geht eine dialogische Beziehung miteinander ein und profitiert voneinander.

 

Social Media ist mehr

Social Media geht weit über die Grenzen von Facebook oder Twitter hinaus. Die Entwicklung, die in der Musik-, Film- und aktuell auch in der Verlagsbranche stattfindet, beweist, dass die gesamte Welt Stück für Stück etwas mehr "social" wird. User vernetzen sich und legen mehr Wert auf Empfehlungen im sozialen Umfeld als auf die Versprechungen irgendwelcher Marketing-“Experten“.

Zeitgleich beginnen User immer mehr, Filme, Shows und Serien im Netz zu konsumieren. Der Konsument ist mündig. Er möchte sich aussuchen, was er schaut und wann er es schaut. Das vorgegebene Fernsehprogramm wird mehr und mehr zum Nebenbeimedium – eine Entwicklung, von der das Radio ein Lied singen könnte.

Die logische Konsequenz liegt in der Entwicklung neuer, vernetzender Formate. Inhalte werden über verschiedene Geräte einsehbar und miteinander verknüpft, das sogenannte Smart TV bietet Entwicklern darüber hinaus beispielsweise die Möglichkeit, über die bisher vorgefertigten TV-Inhalte hinaus einen Mehrwert zu schaffen (z.B. anhand von Apps für das TV-Gerät). Fernsehwerbung wird eine immer geringere Rolle spielen. Und hier kommt Social Media ins Spiel. Abseits von Facebook, Twitter und anderen geschlossenen sozialen Netzwerken werden zukünftig kreative Lösungen entwickelt, die die Social-Werbung der alltäglichen Unterhaltungsbranche mit einbeziehen und auch für Unternehmen und dem Ziel der emotionalen Markenbindung von unschätzbarem Wert sind. Voraussetzung hierfür sind Mut und Offenheit neuen Entwicklungen gegenüber, da nur so kreative Lösungen entstehen.

Ob schon bald eine solche, nennen wir es Verschiebung, stattfinden wird, ist schwer zu sagen, da wir eine stetige Entwicklung erleben und bahnbrechende Technologien nicht auf Jahre voraus mit einkalkuliert werden können. Was aber vorhersagbar ist, ist die Tatsache, dass wir eine Medienkonvergenz erreichen werden, in der Menschen untereinander und verschiedene Geräte miteinander ständig vernetzt sind. Diese Entwicklung ist umso wahrscheinlicher, wenn man bedenkt, dass schon in 5-10 Jahren ein großer Teil der Zielgruppe aus sogenannten Digital Natives besteht, für die TV-Werbung möglicherweise ein verstaubtes Produkt der Vergangenheit sein wird - wenn nicht schon lange ist.

Die Konsequenzen hieraus müssen von Unternehmensseite mitgetragen werden. Mehr Offenheit und Verständnis gegenüber neuen Lösungen und frischen Konzepten, keine Angst vor dem Neuen und Fremden - dies sind die neuen Grundpfeiler erfolgreicher Markenkommunikation.

Themen: Brand Management, Social Media