Der Star-Wars-Hype: Das Erwachen der Marketingmacht

Von admin am 11. Januar 2016

Egal ob im Radio, Fernsehen, auf Facebook, Twitter, Instagram, im Supermarkt und im Prinzip jedem anderen denkbaren medialen und nichtmedialen Touchpoint: Es gibt dieser Tage keine Chance, dem Star-Wars-Hype zu entkommen. Warum das so ist und wie der Marketingkreislauf mittlerweile funktioniert: Ein Überblick.

Von: Andreas Peters

Mein 7-jähriges Patenkind und mein 6-jähriger Neffe sind Star-Wars-Fans. Sie kennen weder Kylo Ren, Rey, Anakin oder Obi-Wan, geschweige denn Luke oder Leia. Die gesamte Handlung ist ihnen ebenfalls fremd. Keiner von beiden hat jemals eine der sechs bisher erschienen Episoden gesehen und da „Das Erwachen der Macht“ hier in Deutschland erst ab 12 Jahren freigegeben ist, ist es sehr unwahrscheinlich, dass sie die siebte Episode in naher Zukunft sehen werden. Warum aber sind sie Fans? Was begeistert sie an den Stormtrooper behelmten PEZ-Spendern, den Mini AT-ATs von Lego oder den Yoda-Plüschfiguren aus der Supermarktkette um die Ecke?

George Lucas als Marketing-Genie

Die Star-Wars-Saga ist mittlerweile fast 40 Jahre alt und umfasst mehrere Generationen von Fans. Als mit „Krieg der Sterne“ 1977 der erste Star-Wars-Film in die Kinos kam, war Science Fiction noch lange nicht massentauglich. Doch Lucas vermochte es, die klassische Heldensaga in den Science Fiction Kontext zu transportieren und damit Identifikationspunkte für Millionen von Jungen und Mädchen, die sein wollten wie Luke oder Leia. Doch die Welt hatte noch so viel mehr zu bieten als die Hauptcharaktere: Die kultigen Stormtrooper, den slapstickigen C3-PO und den niedlichen Droiden R2D2. Neben der durchkonzipierten Narration ist es vor allem die Vielfalt der Welten und der Charaktere, die Star Wars schon damals so interessant machte. Der normale Marketing-Kreislauf nahm seinen Lauf. Durch die Filme wurden die Zuschauer aufmerksam auf Spielzeug, Comics, Bücher und anderen Merchandise und schließlich zu Fans.

George Lucas war vom Erfolg der von ihm geschaffenen Welt über die Kinokassen hinaus so überzeugt, dass er auf eine halbe Million seiner Gage verzichtete, um sich die Lizenzrechte der Trilogie zu sichern. Ein cleverer Schachzug. Während alleine die Filme bis zum Erscheinen von „Das Erwachen der Macht“ 4,5 Milliarden Dollar eingespielt haben, lagen die Erträge aus dem Star-Wars-Merchandise bei 20 Milliarden Dollar. Ein engmaschiges Vermarktungskonzept, zu dem unter anderem die Partnerschaft mit dem Spielzeuggiganten LEGO gehört, treibt den Hype um die Sternenkrieger seither unbeirrt an. Die Geschichte um das Imperium und die Jedi wurde in diversen Zeichentrick-Serien und Comics weitererzählt oder prominent persifliert. Auch das Star Wars Theme ist längst ins ewige Repertoire popkultureller Referenzen aufgestiegen, was das neuerliche Remix-Projekt der Otaku Gang (Notorious B.I.G. feat. Star Wars) eindrucksvoll unter Beweis stellt. Star Wars ist Kult. Selbst für die Menschen, die noch nie einen der Filme gesehen haben.

https://soundcloud.com/otaku-gang/5-party-n-bullshit-star-wars-remix

Toilettenpapier, Orangen, Zahnbürsten — Wo ist die Grenze?

Vor 3 Jahren verkaufte George Lucas seine Firma Lucasfilm und alle dazugehörigen Rechte am Star-Wars-Franchise an Disney und erntete Hohn und Spott aus der Star-Wars-Community, die ihm die vermeintlich schwachen Prequels Anfang der 2000er immer noch nicht so recht verziehen hatte. Mit der Übernahme durch Disney war hingegen klar, dass die Marketingmaschinerie (ganz unabhängig von der Qualität des Filmes) noch einmal ganz neue Dimensionen annehmen würde. Und so will im vierten Quartal 2015 jeder noch einmal etwas vom großen Kuchen abbekommen. Die Kölner Verkehrsbetriebe springen ebenso auf den Star-Wars-Zug auf, wie eine britische Wetterfee auf Channel5. Da gibt es Taschentücher, Zahnbürsten, Make-Up, Rasierschaum, Suppen, Äpfel, Wecker, Bettwäsche, Toilettensitze, Toilettenpapier, und und und… Es gibt so viel Star-Wars-Merchandise, dass man theoretisch durch einen gesamten Tag kommen könnte, ohne ein Produkt zu verwenden, auf dem nicht die acht Lettern im kultigen Star-Wars-Font prangen.

Die Grenze scheint kurz vor dem Erscheinen von „Das Erwachen der Macht“ deutlich überschritten. Nicht nur Nicht-Star-Wars-Fans sehen sich mit einer Dauerpenetration konfrontiert, die schon lange die Ebene der klassischen narrativen Verlängerung in Form von T-Shirts, Spielzeugen, Sammelobjekten und Comics verlassen hat. Jedes Unternehmen versucht, seine Produkte von der Anziehungskraft der Star-Wars-Maschinerie profitieren zu lassen. Konnten wir solche Hypes früher noch ignorieren und an den Obsttheken und Getränkeregalen vorbeigehen ohne uns belästigt zu fühlen, so gestaltet sich dies in Zeiten von Facebook und Instagram deutlich schwieriger. Das alles wäre jedoch kein Problem, wenn man nicht das ungute Gefühl hätte, die Saga sei zu einem reinen Marketinginstrument verkommen und ziehe ihre Faszination einzig und alleine aus der Vermarktung des Franchise und nicht mehr, wie ursprünglich, aus der narrativen Tiefe und Vielfalt des eigenen Universums. Man könnte also sagen, die Grenze sei an der Stelle überschritten, an der Vermarktung zum reinen Selbstzweck wird.

Wir alle sind Teil der Star Wars Maschinerie — Warum greift sie so gut?

So ganz freisprechen können wir uns vielleicht alle nicht. Auch hier bei JUNGMUT zieren LEGO-Minifiguren die Schreibtische, hängen Chewbacca und Boba Fett am Schlüsselbund und hat der ein oder andere sich bereits dabei erwischt, Senf-Gläser oder Taschentücher in den Einkaufswagen zu packen, weil ein Stormtrooper, Darth Vader oder Yoda darauf abgedruckt waren.

Trotz aller Grenzüberschreitungen gibt es einen Grund für die Faszination Star Wars’. Und die liegt nicht alleine in der Diversität der Fanartikel begründet. George Lucas hat eine Heldensaga geschaffen, an der verschiedenste Erzähltheorien beispielhaft durchexerziert werden können. Die Reise seiner Helden führt durch ein weitläufiges, abenteuerliches Universum, dessen Vielfalt sich auch nach mehrmaligem Ansehen der Filme nicht in seiner Gänze erschließt. Die Saga spielt mit verschiedenen Genres: Mittelalterliches Heldenlied, biblische Motive, Märchen, Science Fiction, Fabel, Trivialromane und auch Comic-Elemente setzen sich zu einer narrativen Wundertüte zusammen, die ihresgleichen sucht und die es darüber hinaus vermag, alle Altersklassen emotional anzusprechen. Eine Meisterleistung, die J.J. Abrams in “Das Erwachen der Macht” entgegen aller Befürchtungen bravourös weiterführt. Mein Patenkind und der Sohn meiner Cousine mögen also vielleicht über die Marketingmaschinerie zu Star Wars gekommen sein. Bleiben werden sie aber vorraussichtlich wegen Star Wars selbst. Und das ist auch gut so!

Themen: Marketing, Star Wars, Storytelling