Was Teams von Astronauten lernen können

Von Kathrin Fervers am 12. Juni 2019

In unserer Arbeit bei JUNGMUT kommen wir nicht unbedingt in Kontakt mit Astronauten – aber wir hatten die Möglichkeit, dem Kölner zdi Zentrum dabei zu helfen, mit Jugendlichen einen Tag im Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum zu verbringen.

Obwohl das DLR eine sehr etablierte Institution ist, wirkt es eher wie ein Startup. Es gibt ein Lab mit Versuchsstationen, in einer Halle sind verschiedene Raumstationen oder Teile davon aufgebaut, in denen simuliert und trainiert wird, dann gibt es kleinste Räume, die aussehen wie Container, in denen fünf Programmierer eng gedrängt an Laptops sitzen und Lösungen programmieren.

Uns hat bei diesem Besuch besonders beeindruckt, wie Astronauten arbeiten und sich auf eine planetarische Reise vorbereiten. Denn sie machen viele Dinge, die in guten Teams auf der Erde täglich eine Selbstverständlichkeit sein sollten.

 

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Spezialisten und Generalisten

Die clevere Zusammensetzung von Teams ist nicht nur bei Astronauten eine hohe Kunst und für sie gleichzeitig überlebenswichtig. Aber auch für Teams mit weniger spektakulären Berufen ist es heutzutage besonders hilfreich, wenn es einen guten Mix aus Spezialisten und Generalisten gibt. Der Spezialist beherrscht seine Materie in ganzer Tiefe und Breite – sehr wichtig für alle an Bord einer Raumstation, da hier komplexe Probleme zu lösen sind à la „Houston, wir haben ein Problem“.

Die Generalisten sind aber auch unverzichtbar, weil in einer Raumstation alles Mögliche kaputtgehen kann, man spontane Lösungen für Alltagsbedürfnisse braucht – und dafür nicht mal eben im Internet shoppen kann – und es eben auch nicht immer um Spezialprobleme geht. Der Zauber liegt in der engen und kollegialen Zusammenarbeit dieser interdisziplinären Teams – vor allem in der Grundhaltung, sich immer gegenseitig zu unterstützen und zu helfen. Das mag völlig klar und selbstverständlich erscheinen, wenn man gemeinsam zum Mond fliegt, aber auch auf der Erde wäre es toll, wenn Teams das in ihrem Alltag noch intensiver und bewusster beherzigen würden.

 

Fremde Welten erobern

Wer Astronaut wird, muss ein Abenteurer sein – mindestens sehr wiss-, lern- und erfahrungsbegierig und über den eigenen Tellerrand weit hinausschauend. Die Grundhaltung dahinter ist wahrscheinlich eine Mischung aus Neugier, Sensationslust und wissenschaftlichem Forschergeist. Auch das hilft auf der Erde in digitalen Zeiten, wo viel von lebenslangem Lernen gesprochen wird, Menschen sich darauf einstellen sollten, verschiedene Berufe und Jobs in ihrem langen Berufsleben auszuüben und es dabei immer hilft, offen für Neues zu sein und sich zu trauen, aus der Komfortzone auszusteigen.

 

Enge und Gemeinschaft

Wir leben zwar in Zeiten von Wohnungsnot, zumindest in den Städten, aber tatsächlich haben wir für uns allein so viel Raum zur Verfügung wie nie zuvor. New Work führt außerdem dazu, dass wir nicht in dunklen, zellenartigen Büros vor uns hinarbeiten, sondern eher in luftigen Großräumen beieinander sitzen – zumindest im Idealfall. Enge und Gemeinschaft sind ein gutes Bindungsmittel, denn wenn wir weniger Raum haben, müssen wir dafür sorgen, dass wir gut miteinander auskommen und den anderen respektieren in seiner Daseinsberechtigung.

Eine Astronauten-Truppe ist ein perfekt aufeinander eingespieltes Team, hier bringt ein großes Ego nichts, denn nur gemeinsam lassen sich die Herausforderungen bewältigen – und jeder bringt etwas ein, das die anderen gut brauchen können. Wer einmal gesehen hat, wie klein es in einer Raumkapsel ist, der fragt sich, wie es möglich ist, dass Menschen hier monatelang verbringen, ohne raus zu können. Es geht – die Astronauten machen es vor.

 

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Kollaboration in bester Form

Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist eine Facette des Astronautentums, die sich vor allem während der Reise zum Mond, Mars etc. bewährt. Auf der Erde wird sie lange vor dem Start begonnen und vorbereitet. An den Raumfahrtmissionen sind verschiedene Länder beteiligt, die gemeinsam dieses komplexe Projekt über Ländergrenzen hinweg mit hohem Investitionsaufwand und vielen Rückschlägen bewältigen – jedes Land steuert ein Modul bei, und hier ist erstaunlicherweise eine gute und enge Zusammenarbeit von Europa, USA, Russland, Japan und Kanada möglich, was ja nicht für alle Wirtschaftszweige gilt.

Unsere Vermutung: Es ist eine so herausfordernde Aufgabe, die Idee der Raumfahrt in die Tat umzusetzen, dass es nur gemeinsam geht. Die digitale Transformation, der Klimawandel und andere aktuelle Herausforderungen könnten auf ähnliche Weise gemeinsam bewältigt werden. Leider fehlt ihnen wohl noch der „big dream“, den das Astronautentum mit sich bringt ...

 

Training und Demut

Astronauten trainieren in 10 m tiefem Wasser die Handgriffe im Weltraum und werden dabei aufgezeichnet. Später zeigt eine Auswertung, ob die Handgriffe optimal waren. Und das wird endlos wiederholt.

Außerdem trainieren nach einer Auswahlprozedur die Astronauten, die später auf große Reise gehen sollen zwei Jahre lang miteinander, und wenn einer krank wird, bleiben alle zuhause. Das ist echter Teamgeist, und das wissen alle von Anfang an. Auch davon könnten wir Berufstätige uns eine Scheibe abschneiden, statt den Kollegen/die Kollegin mit Argusaugen zu betrachten, wenn sie oder er aus unserer Wahrnehmung heraus gerade nicht das macht, was unseren eigenen Interessen zugutekommt.

 

Bilder: unsplash.com