Es gibt zwei Arten von Entwickler:innen: Die einen, die alles umsetzen, was der Kunde will. Und die anderen, die noch einen Job haben. đ
Ich zĂ€hle mich zu Letzteren. Nicht, weil ich stur bin, sondern weil ich gelernt habe: Ein klares âNeinâ kann fĂŒr eine Website wertvoller sein als jedes fancy Feature.
Das Dilemma: Zwischen Kundenwunsch und Code-RealitÀt
Vor einiger Zeit stand ich mitten in einem Website Relaunch auf Basis von WordPress. Alles lief rund â das neue Theme war sauber aufgebaut, semantisch durchdacht und technisch schnell wie ein frisch gecachter Server.
Dann kam die Mail. Betreff: âKönnen wir die H1 bitte zufĂ€llig generieren lassen?â
Klingt harmlos. Ist es aber nicht.
Der Kunde hatte die Idee, dass die HauptĂŒberschrift (also die H1 â das heilige Element der SEO-Welt) auf jeder Unterseite aus einem Pool von 3 Varianten auswĂ€hlt wird. Der Kunde hatte das Ziel es âspannend und aufmerksamkeitssteigerendâ zu gestalten.
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Ich wusste jedoch: Wenn ich das mache, verabschiedet sich die Semantik â und mit ihr das Ranking. Denn: Eine wechselnde H1 ist wie ein blinkender Leuchtturm mitten im Nebel â auffĂ€llig, aber niemand weiĂ, woâs langgeht.
Warum ich âNeinâ sagte (und es trotzdem ein âJaâ war)
Ich erklÀrte dem Kunden, dass Suchmaschinen und Assistive Technologies (z. B. Screenreader) eine animierte, stÀndig neu gerenderte H1 nicht besonders sexy finden.
Eine H1 ist kein Showeffekt, sie ist die inhaltliche Leitplanke einer Seite. Wenn man sie durch JavaScript-Slider-Effekte stÀndig austauscht oder unleserlich macht, bricht man gleich zwei fundamentale Prinzipien:
Semantische Struktur â HTML verliert seine Bedeutung.
SEO-IntegritĂ€t â Google weiĂ plötzlich nicht mehr, worum es auf der Seite geht.
Also sagte ich:
âIch kann das technisch machen, aber es wĂ€re aus vielen GrĂŒnden nicht sinnvoll.â
Stille am anderen Ende. Dann:
âOkay, was schlagen Sie stattdessen vor?â
Und das war der Moment, in dem aus âNeinâ ein âWowâ wurde.
Wir entschieden uns, die H1 statisch zu lassen, dafĂŒr aber mit microanimations (z. B. subtilen Text-Highlights oder Scroll-Triggern) zu arbeiten, die die Aufmerksamkeit steuern, ohne SEO oder Usability zu gefĂ€hrden.
Das Ergebnis:
Die Seite wurde schneller.
Das Ranking stieg sichtbar.
Und der Kunde bekam Mails von Nutzer:innen, die das neue Design âruhiger, klarer und professionellerâ fanden.
Er profitiert bis heute von diesem einen Nein.
Kundenerziehung ist kein Machtspiel â es ist UX
Somit wurde der Leuchtturm gefixt und kann nun von den Booten gefunden werden.
Viele denken, Kundenerziehung sei ein Kampf. Dabei ist es eher PĂ€dagogik auf Codebasis. Wenn man erklĂ€rt, warum etwas nicht sinnvoll ist, schafft man Vertrauen. Und wenn man zeigt, dass das âNeinâ auf Erfahrung, Daten und technischer Logik beruht, wird es langfristig zum Conversion-Booster.
Ein gutes Projekt besteht also nicht nur aus schönen Themes und performanten Backends, sondern auch aus einer Portion RĂŒckgrat im Frontend.